Ängstliche / scheue Katze eingewöhnen

Wer eine scheue oder ängstliche Katze in ein neues Heim eingewöhnen will, braucht einiges Vorwissen und Geduld. Hier schildere ich Ihnen meine Erfahrungen beim Eingewöhnen meiner – anfangs noch recht scheuen und ängstlichen – Katzen und gebe einige Tipps und Lösungen, die mir und meinen Katzen sehr geholfen haben.

Ich beginne bei einigen grundlegenden Dingen, die man über Katzen wissen sollte. Ich rate jedem zukünftigen Katzenbesitzer diese Überlegungen gründlich zu lesen und zu überdenken, bevor er sich eine Katze zulegt. Denn das ist der erste Schritt mit einer neuen Katze gut auszukommen.

Ich spreche im Folgenden von meinen Erfahrungen mit zwei „europäischen Kurzhaarkatzen“ – also der am meisten in Deutschland verbreiteten Haus-, Wald – und Wiesenkatzen, wie sie wohl jeder kennt. Auf Zuchtkatzen und deren teils sehr speziellen Anforderungen gehe ich aufgrund fehlender Erfahrung nicht ein.

Was Sie über Katzen wissen sollten …

In Deutschland ist leider die irrige Meinung weit verbreitet, dass unsere Hauskatzen „Einzelgänger“ sind und auch so gehalten werden wollen. Richtig ist, dass Katzen zwar „Einzeljäger“ aber auch Rudeltiere sind, d. h., um psychisch gesund zu bleiben, brauchen sie Kontakt zu ihren Artgenossen. Im folgenden Video wird dieser Sachverhalt sehr gut erklärt …

Katze alleine halten - artgerecht? Einzelhaltung vs Zweitkatze (Bärbel)

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Holen Sie sich daher am besten zwei Katzen (z. B. ein Geschwisterpärchen aus einem Wurf). Das erleichtert den Einstieg und die Eingewöhnung erheblich. So bleiben Ihnen viele Probleme von Katzenbesitzern mit gestörten, nicht sozialisierten, aggressiven oder depressiven Katzen erspart. Außerdem lernen Katzen voneinander – beispielsweise schaut sich mein kleines (ängstliches) Kätzchen oftmals Verhaltensweisen von ihrem mutigeren Brüderchen ab, was ihr hilft, angstvoll besetzte Situationen viel schneller zu meistern.

Wer Babykatzen privat adoptieren will, sollte sie frühestens ab der 12. Woche holen. So haben sie Zeit sich ausreichend zu sozialisieren und über die Muttermilch auch genügend Abwehrkräfte zu bekommen.

Achten Sie darauf, dass die neue Katze kastriert, gechipt und tätowiert ist. Kastrierte Katzen sind weniger aggressiv, beanspruchen ein viel kleineres Territorium und helfen dabei die viel zu große Katzenpopulation – die in Deutschland mittlerweile ein echtes Problem ist – in Grenzen zu halten. Der Mikrochip und die Tätowierung sind sehr hilfreich, um entlaufene Katzen wiederzufinden.

Voraussetzungen des Tierhalters bei scheuen / ängstlichen Katzen

Wer sich scheue oder ängstliche Katzen ins Haus holen will, braucht viel Geduld, Einfühlungsvermögen, Zeit und Ressourcen, damit die Eingewöhnung der Katzen am Ende erfolgreich über die Bühne geht.

Der Anfang: Infos zu den Katzen einholen

Scheue und ängstliche Katzen müssen zuerst Vertrauen zu ihrem Besitzer und ihrem neuen Umfeld aufbauen, was durchaus bis zu einem Jahr dauern kann. Zudem sollte man sich vergegenwärtigen, dass die Scheu und Angst vor Menschen immer einen Grund hat, der nicht selten mit schlechten oder traumatischen Erfahrungen mit Menschen zu tun hat.

scheue ängstliche Katze eingewöhnen

Meine beiden Katzenkids habe ich beispielsweise aus dem Tierheim geholt. Dort erfuhr ich, dass sie als Babys auf einem Parkplatz eines Einkaufscenters ausgesetzt wurden.

Das Einfangen wurde zum Trauma, bei dem mein Katerchen vor lauter Panik dem Tierfänger fast einen Finger abgebissen hatte. Zudem hatten beide Katzen einen üblen Pilzbefall, was auf grobe Vernachlässigung durch den Vorbesitzer schließen ließ. Den Rest ihres noch jungen Lebens verbrachten sie im Tierheim, wo man sie in kleinen Einzelkäfigen hielt.

Immerhin gaben sich die Tierpfleger sehr viel Mühe, sie gesundzupflegen, sie gelegentlich zu streicheln etc., sodass sie hier auch die ersten positiven Erfahrungen mit Menschen sammeln konnten. Als ich sie zu mir nach Hause holte, waren sie etwa 8 Monate alt und hatten den größten Teil ihres Lebens hinter Gittern verbracht.

Das erzähle ich Ihnen deshalb, da es für mich außerordentlich hilfreich war, zu erfahren, was meine beiden Kids bislang erlebt hatten. Damit war für mich von Anfang an klar, dass es viel Zeit, Geduld und Liebe erfordern würde, bis sie sich an meine Frau, mich und ihr neues Zuhause gewöhnen.

Vorbereitung des Tierhalters

Bei scheuen / ängstlichen Katzen geht man das Risiko ein, dass sie sehr lange brauchen, bis sie Schmusekätzchen werden, was für mich als „Katzenschmuser“ sehr hart ist. Katzen haben ihren eigenen Kopf und entscheiden selbst, wie viel Distanz und Nähe sie letztlich zulassen. Als Faustregel würde ich sagen: Je älter die Katze bzw. je schlechter ihre Erfahrung mit Menschen, desto länger dauert es, ihr Vertrauen zu gewinnen. Da man beim Adoptieren einer Katze aber ein Leben lang für sie verantwortlich ist, sollte man sich genau überlegen, ob man mit diesem Umstand umgehen kann oder nicht.

Außerdem sollte man sich vorab mit allen Beteiligten einigen, welche Regeln zu gelten haben, d. h. klar ausmachen, was die Katze darf und was nicht. Wir hatten beispielsweise das Regelset, dass die Katzen nicht auf Schreibtische dürfen, nicht an (Menschen-)Essen gehen, keine Blumen umgraben oder anknabbern usw. So konnten wir eine gemeinsame und übereinstimmende Orientierung entwickeln.

Diese klare Orientierung ist für Katzen sehr wichtig, denn wenn ihnen jeder etwas anderes erzählt, ist Verwirrung und Chaos vorprogrammiert. Da man aber nicht auf jeden Unsinn kommen kann, der kreativen Katzen so einfällt, ist es sinnvoll, darüber im Gespräch zu bleiben. Man kann am Anfang nicht an alles denken, deshalb ist es wichtig ein gemeinsames Orientierungssystem zu entwickeln und im Prozess zu bleiben.

Ebenso ist eine Abstimmung bei der Kommunikation sehr hilfreich. Wenn die Katzen bei uns etwas nicht tun sollten, beginnen wir mit einem deutlich hörbaren „NEIN“, können dies mit einem Fauchen oder Zischen steigern (Katzensprache für „Nein“ oder „Lass das“) bis hin zu einem lauten Händeklatschen. Spätestens dann erschrecken sie und hauen ab.

Signale der Bestätigung sollen hingegen gewünschtes Verhalten fördern. Hier kann man mit den Augen blinzeln (so flirten Katzen untereinander), etwas mit einer ruhigen, liebevollen Stimmmelodie sagen, sie streicheln oder mit einem Leckerli belohnen.

Zudem ist es gerade in den ersten Wochen wichtig, sich Zeit für die Neuankömmlinge zu nehmen – sich beispielsweise Urlaub zu nehmen, keinen Besuch zu empfangen, nicht zu laut Musik oder TV zu hören, Kindertoben zu vermeiden etc. Katzen hören sehr viel besser als Menschen und sind gerade in der Anfangsphase sehr sensibel bezüglich der Stimmung und Lautstärke, die im neuen Heim vorherrscht.

Da Katzen zudem sehr gut riechen, sollte man Gerüche wie starke Räucherungen oder Parfüms vermeiden. Natürliche Körpergerüche des Menschen sind OK. Meine beiden Racker liebten es beispielsweise ihre Nasen in meine T-Shirts oder Jacken zu graben, die schon leicht nach Schweiß riechen.

Falls Sie vom Vorbesitzer nicht wissen, was die Katze gerne frisst oder welches Katzenstreu sie bevorzugt, kaufen Sie anfangs verschiedenen Sorten zum Testen. Katzen sind oft recht wählerisch und zeigen direkt, was sie mögen und was nicht.

Zudem müssen bei reinen Wohnungskatzen zwei Katzenklos pro Schnäuzelchen besorgt werden (wenn man sie nur einmal täglich reinigen will).

Vorbereiten: Erstkontakt mit ängstlichen / scheuen Katzen

Für den Erstkontakt suchen Sie einen möglichst ruhigen Raum aus, in dem die Katzen möglichst stressfrei ankommen können. Hier sollten genügend Versteckmöglichkeiten vorhanden sein oder eingerichtet werden. Stellen Sie den Katzenkorb auf den Boden und warten Sie – auch wenn es Stunden dauert – bis die Katzen ihn von selbst verlassen.

Gefährliche Orte absichern

Eine aufgeregte oder ängstliche Katze passt durch Ritzen, wo Sie es gar nicht vermuten würden. Leider kann es dann passieren, dass sich die Tiere dann mehr nicht drehen und ihr Versteck eigenständig verlassen können. Deshalb sollten solche Spalten möglichst unzugänglich gemacht werden.

Versuchen Sie, Ihre Wohnung mit Katzenaugen zu betrachten: Wo überall gibt es Schlupfwinkel, in denen eine Katze verschwinden könnte? Eine schmale Spalte hinter einem schweren Schrank, einer Einbauküche oder großen Elektrogeräten können eine Gefahr bedeuten. Wir empfehlen alle Orte zu verbarrikadieren, die u.U. gefährlich werden könnten.

Versteckmöglichkeit für ängstliche Katzen – Saveplace

Unsere beiden Katzen haben sich beispielsweise recht schnell unter den Schrank hinter dem Bett verkrümelt. Von dort aus konnte man sie nicht sehen, doch sie konnten den Rest des Zimmers „heimlich“ beobachten. Diesen Platz haben wir „Saveplace“ getauft, wobei wichtig war, sie dort absolut in Ruhe zu lassen.

Dieser Platz ist für die ängstliche Katze von großer Bedeutung. Er wird ihr Rückzugsort, wenn sie sich vor Gefahren – wie einem bösen Staubsauger o. ä. – verstecken will. Diesen Platz sollte man unter keinen Umständen zustellen, die Katze herausjagen oder sie aufdringlich (wie ein Raubtier, das nach Beute sucht) anstarren.

Wird das Vertrauen in den „Saveplace“ auch nur einmal zerstört, wird sie sich entweder einen neuen suchen oder sich künftig in Panik – allerdings ohne das Vertrauen, irgendwo sicher zu sein – woanders verkriechen.

Zudem haben wir alles, was die Katzen so brauchen in diesen Raum gestellt, d. h. Wasser, Futter, Katzenklos, Kratzbaum etc. Das alles war über kurze Wege zu erreichen. Da dieser Raum gleichzeitig unser Wohnzimmer ist, haben wir ihn in der ersten Woche stundenweise (über den Tag verteilt) nicht betreten, sodass sie in dieser Zeit ungestört fressen und ihr Geschäft verrichten konnten.

Tipps zum Abbau der Angst vor dem Tierhalter

Wir haben in den ersten Wochen, also in der Zeit, als sie sich noch vor uns versteckten und Angst vor uns hatten, einfach so getan, als wären sie nicht da. Das ist nicht einfach, wenn man sich darüber freut, einen neugierigen Katzenkopf zu sehen, der einen mit Kinderaugen mustert.

Die ängstliche Katze muss also zuerst verstehen, dass Sie kein gefährliches Raubtier (Jäger) sind, das ihr auflauert und ihr den Kragen umdrehen will.

Am besten kann man ihr das zeigen, indem man bei ihrem Erscheinen Desinteresse zeigt. Das Desinteresse signalisiert ihr, dass sie keine unmittelbare Gefahr zu befürchten hat. Je häufiger nichts passiert, wenn sie erscheinen, desto mutiger wird sie im Laufe der Zeit. Je sicherer sich Katzen fühlen, desto mehr geben sie ihrer natürlichen Neugierde nach, die sie immer häufiger aus dem Versteck treibt.

Wichtig ist auch, dass sich die Katze in der ersten Zeit an alle Geräusche, Gerüche und Verhaltensweisen langsam gewöhnen kann, bis ihr alles vertraut ist. Sie soll sich an Ihre Stimme gewöhnen und an die Art wie Sie sich bewegen. Vertrauen Sie dem „Gewöhnungseffekt“, denn anfangs werden die Katzen noch auf jedes neue Geräusch, ruckartige Bewegungen usw. mit Panik reagieren – eigentlich fast egal, was es ist.

ängstliche Katze hört Menschen

Sie lernen dabei einzuschätzen, welches Geräusch eine Gefahr anzeigt bzw. blenden regelmäßige Geräusche (wie menschliche Stimmen) irgendwann als „normales Umgebungsgeräusch“ aus.

Sie können auch alte Wäsche mit Ihrem Körpergeruch an einigen Stellen liegen lassen, so kann sich die Katze allmählich an Ihren Geruch gewöhnen. Das Essen und die Katzenklos können Sie so aufstellen, dass sie nicht einsehbar sind. Dann hat Ihre Katze die notwendige Ruhe sich einzugewöhnen.

Ängstliche / scheue Katzen eingewöhnen

Die größte Tugend ist Geduld und die Einsicht, dass die Katze von selbst kommen wird. Denn sobald die Katze merkt, dass nichts von ihr verlangt wird, sie zu nichts gedrängt wird etc., wird sie mit der Zeit ihre Vorbehalte und Hemmungen verlieren. Gesagt sei noch, dass jede Katze anders ist und anders reagiert. Dennoch habe ich im Folgenden einige Ziele bzw. Milestones beschrieben, die man beim Eingewöhnen anstreben kann.

Bei uns hat es beispielsweise drei Tage gedauert, bis die Katzen sich zum ersten Mal sehen ließen. Anfangs wird zwar noch panisch von Deckung zu Deckung gehechtet, aber wenn nichts passiert, werden sie mutiger.

Wie ängstliche Katzen Menschen testen

Ab diesem Zeitpunkt beginnt auch eine Art „Testphase“ bei den Katzen, bei der sie versuchen herauszufinden, ob bzw. was ihr Erscheinen bewirkt. Hier sollten Sie einfach nichts tun, sie weder ansprechen, noch aufstehen, noch ansehen. Vor allem das Anstarren sollten Sie unbedingt vermeiden, denn für Katzen ist dies ein Zeichen von Aggression – man starrt Gegner an, bevor man angreift. Falls sie den Augenkontakt suchen, blinzeln Sie wie ein Weltmeister, damit zeigen Sie in der Katzensprache Flirtverhalten.

Die erste Hürde ist geschafft, wenn die Katze anfängt sich offen zu zeigen, z. B. erkennbar von A nach B läuft oder sich etwas abseits sichtbar hinlegt. Damit fängt sie von sich aus an, Sie zu beobachten und versucht einzuschätzen, was sie von Ihnen zu halten hat.

scheue oder ängstliche Katze in ein neues Heim eingewöhnen

In dieser Phase habe ich mich oft ruhig sitzend mit meiner Frau unterhalten und wenn ich mich bewegen musste, tat ich das betont langsam und offen. Die Wohnzimmertür blieb aber für die Katzen noch geschlossen, sodass sie vorerst nur einen Raum erkunden konnten.

Die Katzen sollten immer wissen, wo ich war und einschätzen lernen, was ich vorhatte. Meine Vorhersehbarkeit hatte den Sinn, sie mit nichts Plötzlichem oder Unerwartetem zu erschrecken. Denn jeder „Schreck“ kann die Kennenlernphase um Tage zurückwerfen. Mir half es dabei zu wissen, dass die Zeit für mich arbeitet, d. h. jeder Tag, an dem für die Katze nichts Dramatisches passierte, ließ das Vertrauen wieder ein Stück wachsen.

Erste Interaktionen mit ängstlichen Katzen

Sobald die Phasen des „Sich-offen-zeigens“ immer häufiger werden, sich auf Stunden ausdehnen, kann man versuchen ihre Neugier mit Katzenspielzeug zu wecken. In unserem Artikel „Katzenspielzeug selber machen“ finden Sie viele Anregungen, die Sie in dieser Phase ausprobieren können.

Bei mir hat die Katzenangel gut funktioniert, wobei ich mich anfangs hinter dem Sofa versteckte, sodass die Kids nur die Angel mit der Schnur sehen konnten. Das Sofa bildete dabei auch eine Barriere, die es ihnen erleichterte, mich nicht als Gefahr zu sehen.

Wenn die Katzen ein Spiel annehmen, ist die nächste Hürde geschafft, denn es ist die erste aktive Interaktion zwischen Ihnen und den Katzen. Hier lässt sich mit der Art, wie man solche Interaktionen gestaltet, spielen. Anfangs war ich nur versteckt hinter dem Sofa, später saß ich auf dem Sofa und am Ende saß ich mit ihnen auf dem Boden – ich rückte ihnen beim Spielen also immer näher.

Man kann sich auch für ein Nickerchen auf den Boden legen. So wird man „kleiner“ und ungefährlicher, was ihnen ebenfalls die Scheu nimmt. Meine beiden Kids haben sich getraut – sobald ich schlief oder meditierte – an mich heranzuschleichen und mich abzuschnuppern.

Erkunden des neuen Territoriums

Sobald das gegenseitige Begegnen kein Thema mehr war, fingen wir an, die Wohnzimmertür offen stehenzulassen – das Essen wurde in die Küche verfrachtet, die Katzenklos in den Flur. So begannen wir allmählich ihr Territorium zu erweitern und sie schrittweise an den Rest des Hauses zu gewöhnen.

Dabei hat sich die Bedeutung des „Saveplaces“ als wertvoll herausgestellt, denn wenn sie draußen irgendwo erschraken, flohen sie zurück ins Wohnzimmer zu ihrem Saveplace.

Mit Ritualen Bindungen aufbauen

Wir begannen dann immer mehr Rituale einzuführen, wie Trockenfutterfrühstück am Morgen, Nassfutter und Spiele am Abend. Katzen lieben solche Rituale, denn wenn etwas für sie vorhersehbar wird, fangen sie an, sich darauf einzustellen und sich auf das bevorstehende Event zu freuen.

Außerdem kann man in der Phase, in der Interaktionen ritualisiert werden, das eigene Verhalten gegenüber der Katze ändern. Von nun an sollte man unerwünschtes Verhalten durch Ignoranz strafen oder sie – wie die Katzenmama – anfauchen, wenn etwas schnell unterbunden werden soll. Anschreien oder gar schlagen / jagen geht gar nicht, wenn man das Vertrauen nicht zerstören will.

Aber es ist völlig in Ordnung, der Katze Grenzen zu setzen, denn sie wird nun allmählich beginnen, alles auszutesten. Wenn sie beispielsweise nicht auf den Tisch oder die Blumen anknabbern darf, ist es wichtig, absolut konsequent zu sein, d. h. immer zu fauchen, wenn sie es tut. Dann beginnt sie allmählich zu lernen, welches Verhalten von ihr unerwünscht ist und daher unterlassen werden soll.

Beim Erziehen ist es wichtig, nur auf das aktuelle Verhalten der Katze zu reagieren. Mein Katerchen hat mir beispielsweise einmal in meine Schuhe gepinkelt, was ich erst am nächsten Tag bemerkte. Da die Situation vorbei war, habe ich auch nichts weiter unternommen, außer noch genauer auf die Sauberkeit der Katzenklos zu achten.

Zum Belohnen von erwünschtem Verhalten eignen sich auch Katzensticks / Katzensnackies – also kleine Leckerlis, die man jederzeit zur Hand haben sollte. Auch das lässt sich ritualisieren – wir sitzen beim Morgenkaffee auf dem Sofa und locken die Katzen mit Schmäckies. Kommen sie mit aufs Sofa, kriegen sie ihr Leckerli. Damit verbinden wir Annäherung mit positiven Feelings – und verknüpfen den Kontakt mit dem „netten Riesen“ (Mensch) als gute Erfahrung.

Anfassen und Kuscheln lernen

Der nächste Schritt besteht in der Frage, wann man die Katzen streicheln / anfassen kann. Hier lautet die Faustregel, Sie dürfen die Katze erst dann berühren, wenn sie es tut oder es einfordert.

Sobald sie einem beispielsweise um die Beine streift, den Schwanz senkrecht hochreckt und wedelt, zeigt sie an, dass eine Berührung OK ist. Solche Zeichen der gewollten Annäherung muss man sehen und interpretieren lernen. Ich habe bei meinem Katerchen einige Zeit gebraucht, bis ich verstanden habe, dass er gestreichelt werden will, wenn er sich mir in den Weg stellt.

Zeigen sich die Katzen von sich aus gewillt, berührt werden zu wollen, kann man anfangen zu experimentieren, in welchen Situationen man kuscheln darf. Man sollte bei jedem Kuschelversuch die Reaktion der Katze genau beobachten und jedes abweisende Verhalten unbedingt akzeptieren.

Hier ist Ihre Beobachtungsgabe gefragt, denn Katzen zeigen eigentlich immer an, ob der Kontakt erwünscht ist oder nicht. Wenn sie sich putzt, die Ohren anlegt, die Augen verengt, das Fell sträubt, sie anfängt Sie anzustarren, knurrt etc. sollten Sie dieses „Nein“ unbedingt verstehen und respektieren.

Tun Sie dies nicht, wird die Katze in Ihrer Abwehrhaltung immer deutlicher, bis sie anfängt zu beißen oder zu kratzen. Wer diese Zeichen übersieht und aus der Sicht der Katze respektlos und übergriffig wird – kann selbst aus einer Schmusekatze einen übel gelaunten Kampfkater machen.

Scheue ängstliche Katze kuscheln

Um die Hürde möglichst gering zu halten, haben wir anfangs das Berühren der Katzen recht kurz gehalten – zu langes Kuscheln wird ihnen schnell unheimlich. Sobald das gelegentliche Berühren zum Alltag geworden ist, fangen die Katzen allmählich selbst an mehr und länger kuscheln zu wollen. Wenn ihnen der Kontakt gefällt, fangen die Katzen an zu schnurren.

Andere positive Zeichen sind, wenn die Katzen Ihre Nähe suchen (z. B. sich direkt neben Sie auf die Couch legen), Sie mit der Nase anstupsen, um die Beine streichen, vor ihnen herlaufen und schnurren usw. Gerade am Anfang kann das Kuschelverhalten noch recht zufällig wirken – manchmal wollen sie es, das nächste Mal hauen sie ab. Diese scheinbare Willkür ist normal und wird sich mit wachsendem Vertrauen geben.

Auch Ihre Körpersprache hat hier einen großen Einfluss. Ich durfte mich Katerchen beispielsweise nicht stehend nähern, wenn ich ihn streicheln wollte. Sobald ich aber in die Hocke ging oder mich auf den Boden setzte (mich kleiner machte), war es OK. Auch Flüstern war ihm unheimlich – sprach ich dagegen normal laut, was es in Ordnung.

Ein Tipp ist auch, eher zu früh mit dem Streicheln aufzuhören, als zu spät. Hören Sie zu früh mit dem Streicheln auf, fängt die Katze an mehr einzufordern. Streicheln Sie die Katze jedoch zu lange, wird es ihr unangenehm und sie beginnt den – für sie zu aufdringlichen – Kontakt eher zu meiden. Die Kunst besteht also darin, die Katze dazu zu bringen von sich aus mehr zu wollen, dann ist das Eis endgültig gebrochen.

Am besten kommt man mit Katzen aus, wenn man sie nicht als Haustier, sondern als Partner mit eigenem Kopf betrachtet und ihre Wünsche respektiert. Das bedeutet, ihnen ihren Willen zu lassen im Rahmen der Regeln und den von ihnen geforderten Freiraum zu akzeptieren. So beginnen auch sie, den Menschen zu respektieren und zu mögen. Aus diesem Respekt kann später echte Zuneigung werden und eine persönliche, liebevolle Bindung entstehen.

Wenn Sie diese Milestones erreicht haben, haben Sie die Eingewöhnungsphase erfolgreich gemeistert bzw. eine echte Vertrauensbasis aufgebaut, die eine weitere Vertiefung Ihrer Beziehung erlaubt. Denn die anfängliche Scheu oder Angst sollten die Katzen Ihnen gegenüber nun abgelegt haben. Viel Freude beim weiteren Kennenlernen Ihrer Katze(n)!

Tony ist Schirmherr sowie Initiator der Webseite. Er ist quasi seit Geburt Katzenliebhaber. Er legt gerne selber Hand an, wagt sich auch an scheue Katzen und schlichtet Streits.

Gedanken zu „Ängstliche / scheue Katze eingewöhnen“

  1. Lieber Tony und liebe weitere Mitstreiter,

    ich finde die Webseite großartig. Gut aufgebaut und zu lesen, sehr wertvolle Hinweise. Es wäre schön, wenn man auch Fragen stellen könnte, aber vielleicht habt Ihr bewusst darauf verzichtet?

    Ich erzähle trotzdem ein bisschen. Ich habe ein eher ungewöhnliches Duo aus dem Tierheim zu mir geholt. Mutter, 3 Jahre alt und Tochter, 4 Monate alt. Sie wurden ausgesetzt, die Kleine war da erst wenige Tage alt. Sie hatte eine Lungenentzündung – im Tierheim behandelt. Ihr gleichalter Bruder hat es nicht geschafft.

    Ich habe den beiden als Ankunftsraum das Wohnzimmer hergerichtet. Sie sind furchtbar ängstlich, es tut mir weh, das zu sehen. Ich lasse sie erstmal in Ruhe. Leider habe ich der Mutter wohl ihren ersten safe – place genommen, denn die beiden waren absolut nicht zu finden, als ich am ersten Morgen ins Wohnzimmer kam und ich habe gesucht. Und sie dann im Regal hinter Büchern entdeckt… Sie haben aber nachts schon das Katzenklo benutzt – das ist gut.

    Zusätzliches Problem ist ein Kater, mit dem ich mich in diesem Jahr angefreundet habe. Ein selbstbewusster Bengalenkater, der ein anderes zu Hause hat, sich aber manchmal ins Wohnzimmer schlich. 10 Tage war er weg, nun stand er vor der Terrassentür – ich vermute, er hat die Katzen gerochen. Ich habe ihn natürlich nicht hereingelassen – das muss er nun lernen. Die beiden sollen irgendwann auch- die Mutter wieder- Freigänger werden, hoffentlich geht das gut.

    So ängstliche Katzen hatte ich noch nie, aber ich werde geduldig sein. Tonys Beitrag zur Eingewöhnung scheuer Katzen hilft da sehr. Vielen Dank!

    Ich glaube, ich werde ein Katzentagebuch führen, viele Grüße…

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